Für viele Psycholog:innen ist es ein immer wieder ein sehr interessantes Phänomen, dass Menschen helfen wollen und spenden. Sie stellen sich dabei insbesondere die Frage, was Menschen dazu bewegt für einen Moment ihre eigenen Interessen hinten anzustellen und etwas für andere, oft fremde Menschen zu tun, ihr hart verdientes Geld, für eine gute Sache bereit zu stellen? Wir gehen dieser Frage heute auf die Spur.
Warum öffnen wir unser Herz und unsere Brieftaschen, um anderen zu helfen? Die Gründe, warum wir für gute Zwecke spenden, sind vielfältig und tiefgründig. In der Betrachtung der Spendenmotive erkunden wir die psychologischen, sozialen und emotionalen Antriebe, die uns dazu bewegen, zu geben und somit Teil etwas Größeren zu werden.
Die Spendenmotive können grob in emotionale und rationale Motive unterteilt werden. Oft ist es ein komplexes Zusammenspiel aus emotionalen und rationalen Beweggründen, welches den Ausschlag dafür gibt ob und für welche Sache jemand spendet. Ein rein emotionaler Beweggrund ist die Spende aus Mitleid. Im Bereich der humanitären Hilfe wie beispielsweise bei Naturkatastrophen ist Mitleid eine der Hauptantriebsfedern. Weitere rein emotionale Gründe sind Dankbarkeit sowie die pure Freude am Geben und Schenken.
Rationale Gründe können zum einen Steuervorteile sein und zum anderen materielle Anreize wie die Chance auf Veranstaltungseinladungen oder Gewinnspiele.
Bei einer Spende aus Verantwortungsbewusstsein, also dem Bedürfnis einen Betrag leisten zu wollen wie zum Beispiel für Forschungs- oder Umweltprojekte oder aus Anerkennung heraus, spielt sowohl die emotionale als auch die rationale Komponente eine Rolle. Soziodemografische Faktoren wie Geschlecht, Alter, Einkommen, Religion, Familienstand, beruflicher Status und Bildung spielen auch beim Spenden eine Rolle. In einigen Experimenten wurde herausgefunden, dass zum Beispiel Frauen oft häufiger spenden als Männer und die Spendenbereitschaft mit dem Alter zunimmt.
Zudem handeln wir selten aus rein altruistisch, also uneigennützigen Gründen heraus. Oft vermischen sich altruistische mit eigennützigen Motiven. Wirtschaftswissenschaftler:innen unterscheiden zwischen zwei Arten des Altruismus. Auf der einen Seite steht der „Reine Altruismus“, der sich ergebnisorientiert darstellt. Die Spender:innen ziehen ihre Befriedigung aus der Tatsache, dass den Betroffenen mit der Spende geholfen werden kann. Sie schätzen das, was die Organisation leistet und freuen sich über das Ergebnis von Spendenaktionen.
Beim „Unreinen Altruismus“ ziehen die Spender:innen Befriedigung aus ihrem eigenen Verhalten. Sie schöpfen Wert aus dem Wissen, dass sie selbst am sozialen Auftrag der Organisation mithelfen und nach ihren Vorstellungen moralisch richtig handeln. Diese Form des Altruismus ist dennoch nicht vom Wohlergehen des/der Empfänger:in unabhängig.
Einer der führenden Forscher auf dem Gebiet der Spendenmotivation ist Paul Slovic, Psychologieprofessor an der University of Oregon in den USA. Seit über einem Jahrzehnt erforscht er die Psychologie des Spendens.
„Wir helfen anderen, weil es uns ein gutes Gefühl gibt – nicht unbedingt, weil sie Hilfe brauchen.“
Paul Slovic
Eine Frage liegt jetzt auf der Hand. Spenden wir etwa nur, um das eigene Gewissen zu beruhigen?
Slovic hat sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, was die Spendenbereitschaft der Menschen beeinflusst. In einem seiner Experimente legte er Proband:innen ein Foto vor, das ein hungerndes afrikanisches Mädchen zeigt. Eine Gruppe bekam nur dieses Bild zu sehen, mitsamt dem Namen des Mädchens und ihrer Biografie, eine andere Gruppe sah direkt daneben Statistiken über das ganze Ausmaß der Hungersnot: Wie viele Menschen hungern, wie viele Kinder krank werden oder an Unterernährung sterben. Diejenigen, die nur das Bild von dem Kind sahen, spendeten im Schnitt doppelt so viel.
Wenn eine Katastrophe passiert, die ein großes mediales Echo auslöst, kommen schnell riesige Summen zusammen wie bei den Terroranschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001. Warum haben Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen dagegen Probleme, genügend Mittel für den Kampf gegen eine furchtbare Seuche wie Ebola einzutreiben? Ein Grund dafür ist, dass nicht viele Fernsehteams in Westafrika herumlaufen und Erkrankte interviewen. Außerdem sind Krankheiten wie Ebola, Malaria und Aids diffuse Probleme ohne festen Ort, somit auch ohne direkten alleinigen Bezugsort für eine Spende.„Wir reagieren stark auf einzelne Menschen in Not“, sagt Slovic. „Die haben ein Gesicht, einen Namen, eine Geschichte. Zahlen schrecken uns ab. Sie transportieren keine Gefühle.“
Eine Naturkatastrophe, sagt Slovic, laufe nach den Regeln einer Erzählung ab: Sie hat einen Anfang, sie entwickelt sich im „Hauptteil“ und irgendwann ist ein Ende absehbar. Viele schlimme Krankheiten dagegen sind gekennzeichnet durch ein offenes und nicht erkennbares Ende. Zudem fehlt beispielsweise bei Ebola ein Mittel, das die Krankheit wirksam bekämpft. „Dann fühlt sich eine Spende an wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Man kann ihre Effekte nicht beobachten“, sagt Slovic. „Die Arithmetik des Mitgefühls ist seltsam. Und oft irrational.“
Trotz des Wunsches, zu unterstützen und Positives zu bewirken, stehen Spenderinnen und Spender manchmal vor Hindernissen, die sie vom Spenden abhalten. Diese Spendenhindernisse können vielseitig sein – seien es finanzielle Engpässe, Misstrauen gegenüber Organisationen oder einfach Unwissenheit über die Notwendigkeit einer Unterstützung. In einem kurzen Überblick wollen wir diese Barrieren beleuchten und Wege aufzeigen, wie sie überwunden werden können.
In einem Experiment in den USA wurden Proband:innen in drei Gruppen eingeteilt und bekamen Informationen über eine Organisation, die Kindern in den USA und auf der ganzen Welt hilft. Die erste Gruppe erhielt nur allgemeine Informationen wie: „Nahrungsengpässe in Malawi betreffen mehr als drei Millionen Kinder.“ Die zweite Gruppe bekam ein Bild von einem jungen malawischen Mädchen namens Rokia zu sehen und die Information, dass die Spende ihr Leben zum Besseren wandeln könnte. Das Ergebnis war, dass die zweite Gruppe signifikant mehr spendete als die Gruppe, die nur allgemeine und statistische Informationen erhielt. Eine dritte Gruppe erhielt sowohl die generellen Informationen als auch die über Rokia. Sie gaben mehr als Gruppe 1 aber weniger als Gruppe 2. Einmal mehr wurde so bestätigt, dass wir deutlich weniger spenden, wenn wir nur mit Zahlen und Statistiken konfrontiert werden.
Dass wir uns um die Menschen sorgen, die uns nahe stehen, ist kein Geheimnis. Also überrascht es auch nicht, dass wir stärker von Tragödien berührt werden, je näher sie uns räumlich sind.
Als Beispiel: Die amerikanische Bevölkerung hat 2004 $1.54 Milliarden für die Tsunami Katastrophe gespendet, was weniger als ein Viertel von den $6.5 Milliarden darstellt, die in Amerika für die Opfer von Hurrikane Katrina gespendet wurden. Ungeachtet dessen, dass durch die Hurrikane- Katastrophe 1600 Menschen starben, während der Tsunami 2004 220.000 Todesopfer forderte.
Diese Tatsache war vor dem Einzug der digitalen Kommunikation noch deutlich leichter zu verdauen. Aber in einer Zeit, in der wir innerhalb von Sekunden Bilder aus der ganzen Welt empfangen können, ist das um einiges schwieriger nachzuvollziehen.
Wie bereits oben erwähnt sind wir schnell überfordert von dem schieren Umfang der Not. Als Forscher in einem Experiment Studienteilnehmer:innen erzählten, dass mehrere tausend Menschen in einem Flüchtingscamp in Rwanda in Gefahr seien und die Teilnehmer:innen baten, für die Flüchtlinge zu spenden war ihre Spendenbereitschaft gekoppelt daran, wie viele Menschen sie im Verhältnis retten konnten. Sie waren eher bereit zu spenden wenn sie 1500 von 5000 Flüchtlingen damit helfen konnten als wenn sie die gleiche Anzahl, allerdings diesmal aus insgesamt 10.000 Flüchtlingen retten konnten. Je kleiner der Prozentsatz, desto geringer die Spendenbereitschaft. Psycholog:innen nennen dieses Phänomen „Nutzlosigkeits-Denken“. Paul Sloviv geht davon aus, dass dieses Phänomen vermutlich an ein Gefühl der Schuld gegenüber den Menschen die nicht gerettet werden können gekoppelt ist. Diese Schuldgefühle haben also wahrscheinlich einen negativen Effekt auf unser Mitgefühl und Altruismus.
Dieses Phänomen wird oft auch “Zuschauer-Effekt” bezeichnet und kann in alltäglichen Situationen gut beobachtet werden. Kurz gesagt gehen wir davon aus, dass genug andere Menschen von einer Sache Kenntnis haben und einer von ihnen schon das tun wird, was getan werden sollte - wie das Spenden für einen guten Zweck.
Auch der bloße Gedanke an Geld kann Altruismus hemmen. In einem Experiment haben Forscher eine Gruppe von Teilnehmer:innen darauf vorbereitet, an Geld zu denken, zum Beispiel durch Monopoly Geldstapel neben sich. Die Kontrollgruppe bekam keine Geld- Gedächtnisstützen. Die Geld-Gruppe zeigte weniger Kooperation dahingehend, dass sie länger brauchten um bei einer schwierigen Aufgabe um Hilfe zu bitten. Sie hielten größeren Abstand zu ihren Mitteilnehmer:innen, halfen deutlich seltener und spendeten weniger von dem Geld, das sie für die Teilnahme an der Studie erhielten. Dieses Verhalten könnte in dem Gedanken der Menschen, etwas kaufen zu können begründet sein. Vermutet wird, dass dieses Gefühl die Spendenbereitschaft einschränkt. Egoismus wird gefördert, das Gemeinschaftsgefühl nimmt deutlich ab.
Viele potenzielle Spender:innen hemmt auch die Angst, dass ihre Spende nicht effizient genutzt werden würde oder diese nicht ihrem eigentlichen Zweck zugeführt wird.
Berichte über Spendenveruntreuung, die doch immer wieder auftauchen, befeuern diese Angst zusätzlich.
„Die Organisation dient als Vertrauensanker, ihr Name muss wie eine Marke für Sicherheit bürgen.“
Meyer, Fundraiser Magazin
Hier möchte ich dir gerne ein paar Möglichkeiten aufzeigen, die du nutzen kannst, um die Abwehrreaktionen, die uns am Spenden hindern, zu mindern oder zu umgehen.
Es gibt die unterschiedlichsten Beweggründe und Motivationen, die Menschen dazu veranlasst zu spenden. Doch egal aus welchen Gründen Spenden getätigt werden, sie sind von großer Wichtigkeit und können dazu beitragen, Menschen auf der ganzen Welt zu helfen. Einigen Spendenhindernissen kann mit einfachen Maßnahmen entgegen gewirkt werden, andere sind komplexer und schwieriger zu fassen. Viele entstehen durch ein komplexes Geflecht aus emotionalen und rationalen Beweggründen, was uns oft selbst nicht bewusst ist. Über Wohltätigkeit zu sprechen kann dazu beitragen, eine Kultur des Gebens zu schaffen. Den potenziellen Spender:innen aufzuzeigen, dass ihre Spende nicht im Sande verläuft und sie sehr wohl etwas bewegen können, sowohl im näheren Umfeld als auch auf der ganzen Welt, kann dazu beitragen Ängste abzubauen. Starke, persönliche Geschichten helfen uns zu begreifen, was wir in der Flut der Daten oft gar nicht mehr wahrnehmen können. Mit diesem Wissen und den Tipps wünschen wir dir weiterhin ein erfolgreiches Spendensammeln!